Zur Navigation springen Zum Inhalt springen
  • Aktuelles_Programm_Nordkolleg

© W. Hahn

Letztes Jahr warst du als Stadtschreiberin am Nordkolleg, in diesem Jahr bist du als »Artist in Residence« zurückgekehrt. Was beschreibt das Dasein als Artist in Residence für dich am besten?

Bei der Stadtschreiberei handelte es sich um ein Residenzstipendium, welches in erster Linie an die Stadt Rendsburg gebunden war. Als Artist in Residence bin ich wiederum keine Stipendiatin und ausschließlich im Nordkolleg aktiv - ich lebe für einige Wochen hier, gebe einige Workshops und arbeite den Rest der Zeit an meinem derzeitigen literarischen Projekt. Wenn ich nicht gerade spazieren gehe (man kann nirgendwo sonst so gut spazieren gehen!) oder über das Gelände des Nordkollegs wandere und das kreative Leben beobachte, was um mich herum stattfindet.

Genau diese Beobachterrolle ist für mich auch das eigentlich Spannende an der Tätigkeit als Artist in Residence. Ich bin mittendrin zwischen SHMF, Bandcamp und dem blühenden Garten, bin aber weder Kursteilnehmerin noch Mitarbeiterin - und auch Bewohnerin bin ich nicht, auch wenn ich schon häufiger hier war und deshalb mittlerweile wohl ein bisschen zum Inventar gehöre. Gerade dieses »Wandeln zwischen den Welten« tut meinem eigenen kreativen Schaffen total gut, weil ich an ganz vielen Stellen mal die Rollen ablegen kann, die ich im Alltag sonst einnehme, und mich stattdessen voll auf mein Schreiben konzentrieren kann - und natürlich auf die Spaziergänge, aber das kommt manchmal sowieso auf's Gleiche raus.

Inwiefern stellt das Nordkolleg für dich einen besonderen Ort für dein kreatives Schaffen & Arbeiten dar? 

Das Nordkolleg  ist für mich eine Art Zwischenstation, die ich immer wieder mit großer Vorfreude ansteuere - es ist kein Zuhause in dem Sinne, ich reise sprichwörtlich mit meinem Rucksack an und nicht mit meinen Möbeln. Zwischenstationen sind für mich ohnehin immer inspirierende Orte - ich kann beispielsweise auch im Zug ziemlich gut schreiben.

Es ist aber natürlich nicht nur das »Dazwischen«, was das Nordkolleg für mich ausmacht, sondern auch eine bestimmte, sehr spezielle Dynamik aus Ruhe und Trubel. Das liegt hier alles nah beieinander. An jeder Ecke gibt es kleine Oasen oder spannende Menschen. In dieser Atmosphäre helfen mir dann plötzlich Dinge beim Schreiben, die mich sonst stören würden - hier kann ich beispielsweise arbeiten, während direkt neben mir eine Band probt, und empfinde das sogar als Bereicherung. Das wäre an jedem anderen Ort undenkbar.

Welche Projekte hast du in den letzten Jahren mit deiner Schaffenszeit im Nordkolleg umsetzen können?

An schriftstellerischen Projekten gab es da: Ein Hörspiel, eine Kurzgeschichte und verschiedene Teile verschiedener Theaterstücke - bei denen dauerte das Schreiben meistens über meinen Aufenthalt im Nordkolleg hinaus an oder hat schon vorher begonnen, und die Zeit als Artist in Residence war dann jeweils eine intensive Arbeitsphase. Ein Theaterstück, welches mir persönlich sehr wichtig ist und welches einen besonders langwierigen und teilweise schwierigen Arbeitsprozess hatte, habe ich hier fertigstellen können, das hat mir viel bedeutet. Das Ergebnis heißt »ORLANDO* (nach Motiven von Virginia Woolf)« und ist seit dem letzten Jahr veröffentlicht.

Davon abgesehen gibt es da natürlich die Formate, die ich in der Zeit in Rendsburg gemeinsam mit dem Nordkolleg (oder in meiner Funktion als Stadtschreiberin) umsetzen konnte. Dazu gehören Lesungen, Workshops und eine Schreibwerkstatt.

Welche Tipps kannst du Künstler:innen geben, die selbst Lust haben, mal als Artist in Residence an einem anderen Ort zu arbeiten?

Sowohl Stadtschreiberstipendien als auch Residenzen werden häufig online ausgeschrieben. Bestimmte Internetportale bündeln diese Ausschreibungen - empfehlen kann ich für den Literaturbereich beispielsweise die Seite www.literaturport.de, wo ein wirklich großer Teil der derzeit ausgeschriebenen Stipendien, aber auch Literaturpreisen zu finden ist. Aber auch in andere künstlerischen Bereichen, beispielsweise in den Bildenden Künsten, kann man Artist in Residence werden.

Eine Voraussetzung hierfür ist meistens eine gewisse Vorerfahrung im künstlerischen Betrieb; so werden im Bereich Literatur für gewöhnlich Publikationen verlangt. Die individuellen Anforderungen finden sich dann in der jeweiligen Ausschreibung.

Wie sehen deine nächsten Projekte nach deiner Zeit hier in Rendsburg aus?

Derzeit stecke ich tatsächlich mal im Festengagement - seit einem Jahr arbeite ich als Dramaturgin am Stadttheater Gießen, und das bleibt auch noch ein weiteres Jahr so. In der Zeit ist zusätzliches literarisches Schaffen nur eingeschränkt möglich. Trotzdem werde ich weiter an dem Stück arbeiten, mit welchem ich mich jetzt während der Sommerpause intensiv beschäftige. Dabei geht es darum, wie eine Sammlung kleinerer Lügen sich zu einer Lebenslüge entwickeln kann - und welche Konsequenzen es hat, wenn dieses Lügengebilde einem anderen Menschen in die Hände fällt, der eine Obsession damit entwickelt.

Zwei weitere Stücke, die bereits in großen Teilen fertig sind, wollen allerdings auch noch beendet werden - mal schauen, welches es zuerst über die Zielgerade schafft.